Der MEZIS Vorstand hat im Austausch mit Kollegen anderer gesundheitspolitisch aktiver Gruppen das Positionspapier "Covid-19: Diskussion um Impfpflicht und Immunitätsausweis ist zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht" verfasst. Nun ist Ihre Meinung gefragt. Wir möchten Sie herzlich einladen, sich in diesem Forum an der Diskussion zu beteiligen. Die Ergebnisse fließen in die Stellungnahme ein, die wir anschließend als offizielles MEZIS Positionspapier veröffentlichen und über die Presse verbreiten möchten.
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MEZIS Positionspapier: Covid-19: Diskussion um Impfpflicht und Immunitätsausweis ist zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht
In einem Positionspapier weist die Ärzteinitiative MEZIS e.V. darauf hin, dass eine sachliche, konstruktive und zielführende Diskussion für eine Pflicht zur Covid-19-Impfung und zum Mitführen eines SARS-CoV-2-Immunitätsausweises zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht ist. MEZIS befürchtet den Einsatz von nicht ausreichend getesteten Impfstoffen und Immunitätstests mit geringer Aussagekraft und spricht sich für wissenschaftlich-medizinische, finanziell und interessenunabhängige Studien zur Erforschung der Datenlage aus. Bei der Entwicklung der Impfstoffe und Behandlungsmethoden darf die Sicherheit nicht leiden. Entwicklungs- und Zulassungsverfahren dürfen angesichts des enormen ökonomischen und gesellschaftlichen Drucks nicht verkürzt werden. Die Wirksamkeit der Impfstoffe muss nachgewiesen und die Sicherheit für Patientinnen und Patienten gewährleistet sein.
Der Autor des Positionspapiers sieht weitreichende präventive Maßnahmen als derzeit einzig probates Mittel, das Virus einzudämmen. Er plädiert für umfassende Hygienemaßnahmen, regelmäßiges Testen der Infektionslage bei gefährdeten Personengruppen, insbesondere bei medizinischem und pädagogischem Personal, und Aufklärung über gesundheitsförderliches Verhalten.
1. Impfpflicht
In die Diskussion über eine Covid-19-Impfpflicht sollten derzeit nach Ansicht von MEZIS die aktuellen Ergebnisse aus der Forschung stärker miteinbezogen werden. Es liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob überhaupt eine Immunität gegen SARS-CoV-2 durch eine Infektion hervorgerufen wird. Ob solch eine Immunitätsreaktion im Menschen mit einem noch zu entwickelnden Impfstoff ausgelöst und zufriedenstellend erreicht werden kann, um Individuen gegen eine Covid-19-Erkrankung zu schützen, ist ebenfalls bislang unklar. Zudem benötigt die Ausführung von kontrollierten randomisierten Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit der Impfung eine Kontrollgruppe aus nicht geimpften Individuen, die es bei einer Impfpflicht nicht geben kann. Auch eine Impfpflicht „durch die Hintertür“, indem eine gesetzliche Vorgabe bestimmte Berufsgruppen oder auch Kinder vor Aufnahme in eine Kinderbetreuungsstätte oder Schule dazu zwingt, eine Impfung vorzuweisen, ist nach jetzigem Stand der Forschung nicht sinnvoll und wahrscheinlich sogar kontraproduktiv in Bezug auf eine Akzeptanz in der Bevölkerung.
Obwohl die Aussagekraft von Antikörpertests hinsichtlich einer SARS-CoV-2-Infektion bislang ungeklärt ist, verkaufen Antikörpertesthersteller bereits ihre Produkte. Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei der Impfstoffentwicklung vorhersehen. Es ist im öffentlichen Interesse, dass die Impfstoffe ausreichend, das heißt in randomisierten, von Unternehmen und deren Profitabsichten und weiteren wirtschaftlichen Interessen unabhängigen Studien, überprüft werden, insbesondere auf die Unschädlichkeit in der Entwicklung von Kindern und auf Spätfolgen. Außerdem sind industrieunabhängige, bevölkerungsbezogene (repräsentative) Postmarketing-(Phase-IV)-Studien über mindestens 12 Monate zu allgemeiner Morbidität und Mortalität der Geimpften und Nicht-Geimpften durchzuführen.
Es ist zurzeit kein Gremium identifizierbar, das solch eine unabhängige Prüfung im größeren Rahmen begleiten und koordinieren könnte (weder die WHO noch ländereigene Institutionen).
Sobald ein nebenwirkungsarmer, in unabhängigen Studien nachgewiesener, hochwirksamer Impfstoff entwickelt und hergestellt werden kann, ist eine Impfung empfehlenswert und wird höchstwahrscheinlich auch ohne Impfpflicht zu einer hohen Impfrate führen.
2. Immunitätsausweis
Aus denselben Gründen ist nach Meinung von MEZIS zurzeit ebenso wissenschaftlich nicht begründbar, einen wie auch immer gearteten „Immunitätsausweis" einzuführen. Die Studienlage gibt Hinweise darauf, dass eine „Erreger-Abwehr“ nicht allein durch eine T-Zell-Immunität und Antikörperbildung erfolgt, sondern dass auch andere Zellprozesse (ACE2-Rezeptor-Interaktion) beteiligt sind, die nicht durch Ausbildung von Antikörpern angezeigt wird. Daraus folgt, dass ein fehlender Immunitätsnachweis (keine Antigen-Antikörper-Reaktion nachweisbar) nichts darüber aussagt, ob sich eine Person infizieren kann. Auch sind die Tests zum Nachweis von Antikörpern nach einer erfolgten Infektion bisher bezüglich ihrer falschpositiven bzw. falschnegativen Ausfälle ungenügend präzise, so dass die Ergebnisse aus diesen Tests momentan wenig aussagekräftig sind.
3. Erwartungen der Politik und Öffentlichkeit
Bisher wird ausschließlich auf medikamentöse Behandlung und Impfung gesetzt. Pharmaunternehmen sehen sich unter hohem Leistungsdruck und starker Konkurrenz, so dass die Phasen der Überprüfung von möglichen Substanzen aus Gründen der Zeitersparnis zusammengelegt werden. MEZIS befürchtet, dass höchstwahrscheinlich schnell Substanzen auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind, die unzureichend auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit getestet wurden, aber trotzdem reißenden Absatz finden. Ein in Oxford entwickelter Impfstoff wird bereits in Massen produziert, ohne einen Nachweis von randomisierten, kontrollierten unabhängigen Studien.
Optimale Public-Health-Maßnahmen sind bisher nicht ableitbar. Für den Fall, dass es keine wirksame Impfung geben wird, sollten allgemein präventive Maßnahmen entwickelt, propagiert und unterstützt werden, insbesondere das Werben für eine gesunde Lebensweise (Ernährung, Bewegung, Schlaf, Rauchstopp, Stressabbau, Frischluft, …), die eine Infektion zwar nicht verhindern, aber deren Verlauf mildern kann.
Fazit:
Ein wirksamer Impfstoff oder ein Schutz vor infizierten Personen durch einen Ausweis ist bis zu einer deutlich verbesserten wissenschaftlichen Datengrundlage unrealistisch. Auch wenn bereits im großen Stil Antikörpertests oder Impfstoffe hergestellt werden, ist es im öffentlichen Interesse, dass die Entwicklung von Impfstoffen und Durchführung von Antikörpertests in kontrollierten randomisierten, von Unternehmen und Gewinnen unabhängigen Studien auf ihre Wirksamkeit (Spezifität und Sensibilität) getestet werden. Die Impfstoffe müssen unter der Aufsicht von unabhängigen Gremien auf ihre Wirksamkeit und Unschädlichkeit getestet werden. Auch die Spätfolgen, Einflüsse auf die Kindesentwicklung und Wirksamkeit unter verschiedenen regionalen (und individuellen physiologischen) Bedingungen sind zu beobachten, bevor überhaupt an eine Verteilung zu denken ist. Entwicklungs- und Zulassungsverfahren dürfen angesichts des enormen ökonomischen und gesellschaftlichen Drucks nicht verkürzt werden. Die Wirksamkeit des Verfahrens und die Sicherheit für Patienten müssen gewährleistet sein.